// Steiler sparen

TU Wien

// Lebenszyklusanalyse Steildach
Ökonomische und ökologische Vorteile

Dr. Iva Kovacic
Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement
TU Wien
25.2.2015

1. EINFÜHRUNG

Im Rahmen einer Studie des Forschungsbereichs für Industriebau und Interdisziplinäre Bauplanung an der TU Wien und mit Unterstützung der Initiative Pro Steildach wurden die ökonomischen und ökologischen Potentiale sowie die Adaptierbarkeit und Flächeneffizienz eines Steildachs entlang des Lebenszyklus untersucht. Die Studie umfasst die Berechnung der Lebenszykluskosten, der Ökobilanz sowie die Entwicklung und Berechnung eines Nutzungsszenarios, um die Wirtschaftlichkeit und Flächenflexibilität des Steildaches aufzuzeigen.

Die Untersuchung basiert auf ZWEI Fallstudien (Abbildung 1):

  • für ein Einfamilienhaus (EFH)
  • für ein Reihenhaus (RH).

Für alle Objekte wurden umfassende digitale Gebäudemodelle (BIM) erstellt, welche als Datenbasis für die Folgeuntersuchungen fungierten.

Die Steildächer sind als Sparrendächer mit Ziegeldachdeckung und Steinwolle‐Dämmung modelliert. Die Flachdächer bestehen aus einer Stahlbetondeckenkonstruktion, EPS‐Gefälledämmung und Folie. Anhand der Lebenszyklusanalyse der Fallbeispiele wurden Kosten‐ und Öko‐Kennzahlen gebildet. Es wurden die Kosten und die Ökobilanz für die Lebenszyklusphasen beachtet: Herstellung und Betrieb (samt Erneuerung bzw. Ersatz der Bauteile nach Ablauf ihrer Lebensdauer).

In der Fallstudie Einfamilienhaus wurde ein konkretes Steildach‐Einfamilienhaus mit ausgebautem Dachgeschoss (SDA), sowie daraus abgeleitete Einfamilienhäuser mit einem jeweils unausgebauten Dachgeschoss (SDUA) bzw. mit einem Flachdachabschluss (FD) untersucht.

Das Flachdach‐Gebäude ist zwangsläufig kleiner, da aufgrund einer maximal zulässigen Gebäudehöhe die Höhe des Gesims bzw. der Attika gilt.Beim Steildach ist die Gebäudehöhe als Verschnitt der Dachfläche mit der Fassadenfläche (Gesimshöhe) mit einer max. 45 Grad aufweisenden dahinterliegenden Dachschräge definiert.

In der Fallstudie Reihenhaus wurde als ursprüngliches Modell ein Steildach‐Reihenhaus, bestehend aus Erdgeschoss und ausgebautem Dachgeschoss, herangezogen. Aus diesem Objekt wurde ein Flachdach‐Objekt generiert, bei welchem es geometriebedingt zur Nutzflächenvergrösserung kommt („Begradigung“ der Dachschräge im DG). Diese Transformation entspricht nicht den Bauordnungen, sondern wurde zwecks Modellvergleich herangezogen um zu zeigen wie sich die Kosten bei der „Abschaffung“ der Dachschräge entwickeln.

Bei dieser Untersuchung wurde ein Reihenhaus mit ausgebautem Dachgeschoss (SD) mit einem Reihenhaus mit Flachdachabschluss (FD) verglichen.

Abbildung 1: Modellbildung der Fallstudien

2. UNTERSUCHUNGEN UND METHODEN

2.1 Ökonomische Lebenszyklusanalyse

Für die Ermittlung der Lebenszykluskosten wird die Barwertmethode, basierend auf der Berechnung der abgezinsten zukünftigen Zahlungen, verwendet. Die in dieser Studie angewandte Methode ist die der DGNB/ÖGNI‐Gebäudezertifikat‐Berechnungsmethode im Kriterien‐Steckbrief 16: Lebenszykluskosten, bei der nur die ausgewählten Kostengruppen (Herstellungskosten und Folgekosten) in Betracht gezogen sowie vereinbarte Konventionen zur Barwert‐Berechnung benutzt werden.

Für die Fallbeispiele wurden die Bauwerkskosten laut ÖNORM 1801‐1 errechnet, welche die Kostengruppen KG 2 (Rohbau), KG 3 (Technik) und KG 4 (Ausbau) beinhalten; diese sind stellvertretend für die Herstellungskosten. Um die Bauwerkskosten zu ermitteln, wurden für die Fallstudien‐Objekte konkrete Ausschreibungen für Baumeister und Tischler sowie dachspezifische und gewerkebezogene Ausschreibungen (Flachdach, Steildach) eingeholt.

Die Lebenszykluskosten sind die Summe der Bauwerkskosten (KG 2+3+4) und Folgekosten. Als Folgekosten gelten die Kosten für Gebäudebetrieb, Instandhaltung und Wartung, Erneuerung bzw. Ersatz nach Ablauf der Lebensdauer des Elements in einem Zeitraum von 50 Jahren. (Die Abbruchkosten wurden in dieser Studie nicht berücksichtigt.) Zur Ermittlung der Betriebskosten (Wasser, Strom, Kosten für Holzpellets, etc.) wurden tagesaktuelle Daten herangezogen. Zum Beleg des Energieverbrauchs für die Heizung aller Fallbeispiele wurden die Energieausweise errechnet.

Dabei wurden folgende Vereinbarungen (Konventionen) getroffen:

Zinssatz 5,5%
Allg. Preissteigerung (z.B. Baukosten) 2,0%
Preissteigerung Energiekosten 4,0%
Preissteigerung Wasser-/Abwasserkosten 2,0%
Preissteigerung Dienstleistung Reinigung 2,0%
Preissteigerung Grundgebühr Strom 1,0%
Lebensdauer 50 Jahre

2.2 Ökologische Lebenszyklusanalyse

Zur Ermittlung der Emissionen, verursacht während des Lebenszyklus der Fallbeispiel‐Objekte, wurde die Ökobilanz für die beiden Phasen Produktion und Betrieb erstellt. Dabei wurden für die Phase der Produktion die Ökobilanzen aller Materialien berechnet, für die Betriebsphase der Energieverbrauch aus den errechneten Energieausweisen sowie der ökologische Rucksack für die Erneuerung (Ersatz) der Bauelemente nach dem Ablauf der Lebensdauer. Nach OI3 Index wurde der PEI (Primärenergiebedarf), CO 2‐Ausstoß und SO 2‐Ausstoß (Versäuerungspotential) ebenfalls berechnet; jedoch wurde stellvertretend für die Studie der Vergleich der Fallbeispiele mittels CO 2‐Bilanz durchgeführt.

2.3 Szenario Entwicklung

Um die Flächeneffizienz bzw. Flexibilität der Nutzung im Laufe des Lebenszyklus zu analysieren, wurde ein Nutzungsszenario für die EFH Fallstudien‐Objekte entwickelt und die Steigerung der Kosten entlang des Lebenszyklus verglichen.

Um die beim unausgebauten Steildach (SDUA) bereits vorhandene Reservefläche zu kompensieren, benötigt das Flachdach‐Objekt eine zusätzliche Reservefläche (Lager o.ä.). Diese Fläche muss zusätzlich angemietet werden, was in lebenszyklischen Mietkosten resultiert. Das Szenario sieht außerdem einen Dachgeschossausbau im 15. Jahr des Lebenszyklus beim SDUA‐Objekt vor. Das ausgebaute Steildach‐Objekt (SDA) verfügt von Anfang an über mehr Fläche (BGF oder NF), da das Dachgeschoss bereits als Wohnraum ausgebaut ist.

Abbildung 2: Objekte der Fallstudie

3.1 Bewertung der Fallstudien‐Objekte

Betrachtet man die Gesamt‐Lebenszykluskosten dieser BGF‐ sowie NF‐mäßig gleichwertigen Objekte, so ist das SDUA‐Haus anfänglich etwas teurer (um 4%), jedoch lebenszyklisch günstiger (um 0,3%) als das FD‐Haus (Abbildung 3).

Abbildung 3: HK und LZK der Fallstudien‐Objekte

Betrachtet man die Kennzahlen für die Lebenszykluskosten bezogen auf die Quadratmeter‐BGF, so ist das SDA‐Haus bereits anfänglich um 14%, sowie im Lebenszyklus um 16% günstiger als das FD‐Haus. Somit spart man über den gesamten Lebenszyklus 400€/m 2 (Abbildung 4).

Abbildung 4: HK und LZK der Fallstudien‐Objekte – Kennzahlen pro m² BFG

Ökologisch betrachtet bringt das SDUA‐Haus mehr Vorteile als das gleichwertige FD‐Haus. Hier erreicht man eine Einsparung von 26,21 Tonnen CO 2 im Laufe des Lebenszyklus von 50 Jahren (Abbildung 5).

Abbildung 5: CO 2Bilanz der Fallstudien‐Objekte – Kennzahlen pro m 2 BGF
Abbildung 6: CO 2‐Bilanz der Fallstudien‐Objekte – Kennzahlen pro m 2 BGF

Bildet man die Ökobilanzkennzahlen pro Quadratmeter BGF, erzielt das SDUA‐Objekt über den Lebenszyklus betrachtet eine Einsparung von 12%; beim SDA‐Objekt sind es sogar 16% (Abbildung 6).

3.2 Bewertung Bauteil Dach

Bei der Lebenszyklusanalyse des Bauteils Dach (Rohbau und Ausbau) erzielt man während des Lebenszyklus eine Einsparung von 71% pro Quadratmeter Dachfläche beim SDUA (490 €/m² weniger als FD) bzw. von 53% beim SDA (364 €/m² weniger als FD) (Abbildung 7). Dieser Vorteil des Steildaches resultiert aus der teuren Unterkonstruktion der Stahlbetondecken und den Schichtaufbauten beim FD, sowie den laufenden jährlichen Kosten für Instandhaltung und Wartung (lt. ÖNORM B 3691) bei einem FD. Weiters müssen die Folien häufig erneuert bzw. ersetzt werden.

Abbildung 7: Kennzahlen pro m² BFG für HK und LZK des Dach‐Bauteils (KG 2+4 – Rohbau und Ausbau)

Die durch die Ausschreibungen erhobenen und in der Fallstudie berechneten und gebildeten Kennzahlen für das Bauteil Dach wurden mit den BKI‐Kennzahlen verglichen und verifiziert. Die in der Fallstudie gebildeten Kennzahlen fallen in das mittlere Preissegment von BKI: Baukonstruktionen – Statistische Kennzahlen für die Bauelemente – Dachkonstruktionen und Dachbekleidungen.

3.3 Szenario‐Bewertung

Bewertung der Szenarien:

  • Anmiete des zusätzlichen Lagerraums beim FD‐Objekt
  • Dachgeschossausbau nach 15 Jahren beim SDUA‐Objekt
  • sofortiger Ausbau des Dachgeschosses beim SDA‐Objekt

Das FD‐Objekt mit zusätzlicher Anmietung eines Raumes ist die teuerste Variante: und zwar um 5% ggü. eines nachträglichen Ausbaus bzw. um 3% ggü. eines sofortigen Ausbaus des Daches (Abbildung 8).

Abbildung 8: Drei Szenarien in Vergleich: FD mit angemietetem Lagerraum, SDUA mit Ausbau im 15. Lebensjahr und SDA von Beginn

3.4 Beispiele

Wenn man zwei gleichwertige Objekte betrachtet – das Flachdach und das Steildach unausgebaut – werden durch das Steildach‐Objekt im Lebenslauf von 50 Jahren große Mengen CO2 eingespart: nämlich 26,21 Tonnen. 18 Buchen oder 20 Fichten wären notwendig, um diese Menge Kohlendioxid zu binden.

Ein energieeffizienter Kleinwagen könnte 204.756 km weit fahren, bis diese Menge an CO2 ausgestoßen wird. Das wiederum entspricht fünf Umrundungen der Erde.

4. FALLSTUDIE REIHENHAUS

Abbildung 9: Objekte der Fallstudie: Mittleres Reihenhaus mit Flachdach und mit Steildachabschluss

In der Fallstudie RH wurde eine bestehende Reihenhausanlage untersucht, in der die Objekte aus einem Erdgeschoss und einem unter der Dachschräge befindlichen Obergeschoss (ausgebautes Dachgeschoss) bestehen. Daraus abgeleitet wurde ein Flachdachreihenhaus, bestehend aus einem Erdgeschoss und einem Obergeschoss (keine Dachschräge, folglich größere NF). In dieser Fallstudie wurden ein Randhaus und ein mittleres Haus untersucht, um die Unterschiede betreffend Heizwärmebedarf zu identifizieren Da diese jedoch zu keinen signifikanten Unterschieden geführt haben, wird in Folge stellvertretend für diese Studie das REIHENHAUS MITTE (RHM) präsentiert und zwar in der Variante Reihenhaus mit Steildach (SD) und Reihenhaus mit Flachdach (FD).

4.1 Bewertung der Fallstudien‐Objekte / FD und SD

Betrachtet man die Gesamtlebenszykluskosten der Objekte, so ist das SD‐Haus anfänglich wie auch im Lebenszyklus etwas günstiger; sowohl für das Gesamtobjekt wie auch auf die Nutzfläche bezogen (Abbildungen 10 und 11).

Abbildung 10: HK und LZK der Fallstudien‐Objekte (Gesamtobjekt)
Abbildung 11: HK und LZK der Fallstudien‐Objekte – Kennzahlen pro m² NGF

Ökologisch betrachtet bringt das SA‐Haus mehr Vorteile als das FD‐Haus. Hier erreicht man eine Einsparung von 22 Tonnen CO 2 im Laufe des Lebenszyklus von 50 Jahren (Abbildung 12). Auf m² NF gerechent erzielt man eine Einsparung vom 70 kg / m2 NF (Abbildung 13).

Abbildung 12 : CO 2‐Bilanz der Fallstudien‐Objekte
Abbildung 13: CO 2‐Bilanz der Fallstudien‐Objekte – Kennzahlen pro m 2 NF

4.2 Bewertung Bauteil Dach KG 2+4

Beim Bauteil Dach (KG 2+4) verhält sich das FD am Anfang günstiger (um 10%), jedoch wesentlich teuerer am Ende des Lebenszyklus (um 67%). Die Kostendifferenz bei den Herstellungskosten ist im Wesentlichen den Dachfenstern zuzuschreiben (Abbildung 14).

Abbildung 14: Kennzahlen pro m² BFG für HK und LZK des Dach‐Bauteils (KG 2+4 – Rohbau und Ausbau)
Abbildung 15: CO 2‐Bilanz des Bauteils Dach – Kennzahlen pro m 2 Dachfläche

5. ZUSAMMENFASSUNG

Die Ergebnisse der Studie widerlegen die gängige Meinung, das Steildach wäre kostenintensiver als das Flachdach. Dies ist in der Einfamilienhaus‐ wie auch das Reihenhaus‐Fallstudie bestätigt.

Das EFH‐ sowie RH‐Steildach‐Objekt ist am Beginn der Lebensdauer geringfügig teurer, jedoch kostengünstiger im Lebenszyklus, vor allem auf Grund der Wartungsfreiheit und Langlebigkeit der Bauteile. Eindeutig im Vorteil ist das Steildach in der ökologischen Bilanz.

Der wesentliche Unterschied in den Ergebnissen der zwei Fallstudien liegt beim BAUTEIL DACH (KG2+4):

  • Beim EFH ist die Dachhaut des Steildachs am Anfang wie auch im Lebenszyklus ggü. Flachdach günstiger.
  • Beim RHM ist die Dachhaut des Steildachs am Anfang teurer (Dachfenster) jedoch im Lebenszyklus ggü. Flachdach günstiger.

Die CO2‐Emissionen bei den Steildach‐Varianten sind um einiges niedriger als beim Flachdach. Die größten Vorteile des Steildaches zeigen sich durch die Flächeneffizienz, bzw. durch die Möglichkeit der Raumgewinnung, wie in den Szenarien belegt wurde.

Das Steildach, wird es intelligent und vorausschauend im Rahmen der Baubestimmungen geplant, ermöglicht mit einem geringfügigen Kostenaufwand zu Beginn des Lebenszyklus die Schaffung einer Raumreserve, die zukünftig vielfältig genutzt werden kann.

Die in dieser Studie entwickelte Methode und Modellbildung kann als entscheidungs‐unterstützendes Instrument für die Bauherren eingesetzt werden.

Referenzen und Datenquellen:

  • Konkrete Ausschreibung für Baumeister und Holzbau‐Meister
  • dachspezifische, gewerkebezogene Ausschreibungen (Flachdach, Steildach)
  • Ökobilanz: Baubook.at, IBO Katalog (Waltjen et al, 1999)
  • Lebensdauer der Bauteile – IBO, 2009, Erweiterung des OI3‐Index um die Nutzungsdauer von Baustoffen – für alle Fallbeispiele wurde die gleiche, niedrige Segment‐Mitte angenommen
  • ÖNORM B 3691, 2012
  • BKI: Baukonstruktionen – Statistische Kennzahlen für die Bauelemente – Dachkonstruktionen und Dachbekleidungen
  • DGNB/ÖGNI Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen / Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft

Abkürzungen:

BGF Bruttogrundfläche
NF Nutzfläche
FD Flachdach Haus
SDUA Steildach unausgebautes Haus
SDA Steildach ausgebautes Haus
HK Herstellungskosten
FK Folgekosten
LZK Lebenszykluskosten

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