// AUF ZEIT UND MANCHMAL DOCH FÜR DIE EWIGKEIT

Während Architektur vor allem durch Permanenz und Haltbarkeit bestimmt wird, widmen sich ephemere Bauten den Bedürfnissen des Augenblicks. Anlässe wie die Architekturbiennale oder der jährliche Pavillon der Londoner Serpentine South Gallery zeigen: Experimente – auch im Bereich des Steildachs – scheinen in kaum einer Kategorie der Architektur gängiger zu sein als in der temporären. Sie inszeniert sich selbst, ihr Innenleben, ihre Umgebung. Und trotz ihrer begrenzten Nutzungsdauer wirkt sie in vielerlei Hinsicht immer auch nach.

Ephemere Bauten: Der Portalbau beim Stadtschlosses Weimar ist modular rück- und wiederaufbaubar.
Der Portalbau beim Stadtschloss Weimar ist modular rück- und wiederaufbaubar.

Das „Erlebnisportal“ von Helga Blocksdorf/Architektur füllt seit 2021 die Lücke zwischen den beiden Torhäusern an der Coudray-Mauer des Stadtschlosses Weimar. Als Teil einer Initiative Thüringens, die auf die Vielfalt und Schönheit der Kulturlandschaft des Bundeslands aufmerksam macht, greift es die Idee der Mauer als Kulisse auf. Mit seinem steil abfallenden Pultdach ist der temporäre Bau von der Straße kaum als solcher erkennbar. Vielmehr wirkt er wie eine Bühne mit einem begehbaren Torbogen auf der Mauer. Dieser lenkt den Blick auf bedeutende Gebäude der Umgebung. Vom Innenhof aus hingegen entsteht durch die Kombination aus Freitreppe und Steildach ein skulpturaler Eindruck. Dazu trägt auch die Fassade aus heller Birkenrinde bei. Das historische Baumaterial, das je nach Schichtaufbau 60 bis 100 Jahre überdauern kann, verweist auf das Borkenhäuschen im Ilmpark. Im Jahr 1778 wurde es unter Johann Wolfgang von Goethe für eine einzige Aufführung errichtet – und steht bis heute. Ganz bewusst möchte Helga Blocksdorf/Architektur mit der Fassadenbekleidung, die über die gesamte fünfjährige Nutzungszeit von der TU Braunschweig evaluiert wird, auf die mögliche Wirkdauer ephemerer Architektur aufmerksam machen.

// REALLABOR FÜR DIE BAUWENDE

Hat man lange Zeit nur über die dringende Notwendigkeit einer Bauwende geredet, werden inzwischen immer mehr Ideen zum zirkulären, einfachen und modularen Bauen in der Praxis erprobt. Trotz oder gerade wegen ihrer kurzen Nutzungszeit ist temporäre Architektur auch in dieser Hinsicht nicht nur Vorbild, sondern auch ein beliebtes Experimentier- und Forschungsfeld. Ein Beispiel ist das Circular Tiny House CTH*1 an der Hochschule Coburg, das von Prof. Dr. Rainer Hirth und seinen Studierenden der Fakultät Design entworfen und im Selbstbau realisiert wurde. Gedacht ist es für Resträume, Verkehrs-, Park- sowie Brachflächen und mit 19 m2 auf zwei Geschossen entsprechend klein. Alle Bauteile wurden sortenrein rückbaubar konstruiert und bestehen fast ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen. Das Steildach wird zum Energielieferanten: Zwölf Solarmodule auf dem asymmetrischen Satteldach sorgen für eine energetisch autonome Versorgung. Seit seiner Fertigstellung wird das Circular Tiny House CTH*1 immer wieder als Gästehaus genutzt. Vor allem aber ist es ein Versuchslabor, das dem Architekturnachwuchs wichtige Praxiserfahrung im zirkulären Planen und Bauen ermöglicht. Darüber hinaus werden auch hier in einem fünfjährigen Monitoring Energieaufwand und -nutzung ermittelt.

Epehmische Bauten: Die beweglichen Dachflächen ermöglichen verschiedene Blick-, Licht- und Raumsituationen.
Ephemere Bauten: Das schwarze Pavillon.
Ephemere Bauten: Die beweglichen Dachflächen ermöglichen verschiedene Blick-, Licht- und Raumsituationen.
// DAS STEILDACH ALS WANDELBARER RAUM

Der Schwarze Pavillon von Fabian A. Wagner hat indes vielfältige Nutzungen. Die Konstruktion hielt der Architekt dafür einfach und flexibel: Zwei Dachflächen, bestehend aus jeweils sechs Sparren, bilden einen archaischen, zeltartigen Raum der Möglichkeiten. Teile der Dachflächen lassen sich ausklappen, sodass eine tischartige Fläche zum Kochen und Essen entsteht. Für Ausstellungen können Objekte auf Holzsockeln zwischen der Konstruktion platziert werden. Mit eingebautem Zwischenboden wird er wiederum zum Wohnmö-bel, Aufführungsraum oder Rückzugsort. Stand der Schwarze Pavillon zunächst für den interdisziplinären Austausch im Park der Villa Massimo in Rom, kann er dank seiner rück- und wiederaufbaubaren Konstruktion zukünftig zum Gast jeden Ortes werden, Menschen zusammenbringen und sie möglicherweise sogar zu neuen, bisher noch nicht bedachten Nutzungen inspirieren.

Bildnachweise: Simon Menges (1); Sebastian Kolm/Architekturfotografie (2); Kim Fohmann (3)

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