// FRÄNKISCHER DREIKLANG: HAUS – STALL – SCHEUNE

// SCHLICHT LAMPRECHT ARCHITEKTEN, SCHWEINFURT / BAMBERG
Als Wiederauferstehung eines alten Ensembles lässt sich der Neubau der Bücherei Gundelsheim lesen. Der Bauernhof aus dem 19. Jahrhundert verfügte einst über ein Wohnhaus, einen Stall und eine Scheune. Der Abriss der Scheune hinterließ eine städtebaulich undefinierte Fläche und den Rest eines Zweiseithofs. Die Sanierung und Ergänzung von Schlicht Lamprecht Architekten gibt dem Gebäude durch die Nutzung als Bücherei nicht nur eine neue Funktion, sondern auch eine neue Struktur. Ganz nebenbei entsteht so auch wieder ein gefasster Platz, der dem öffentlichen Leben in der Dorfmitte Raum bietet.
Ein altes Bauernhaus, einstöckig mit Satteldach, den Giebel zur Hauptstraße orientiert. Das Anrücken der Abrissbagger konnte die Gemeinde durch den Ankauf des Gebäudes gerade noch verhindern. Statt eines Neubaus sollte der Bestand erhalten werden und künftig allen Bürgern offen stehen. Den ausgeschriebenen Wettbewerb konnte das Büro Schlicht Lamprecht Architekten für sich entscheiden. Die Architekten haben durch mehrere ähnlich gelagerte Projekte reichlich Expertise im Bereich des ländlichen Bauens, der Umnutzung und Sanierung von aufgelassenen Objekten. Ihr Entwurf sah vor, dem ehemaligen Gehöft seine alte Kubatur zurückzugeben, indem anstelle der ehemaligen Scheune ein Neubau mit zwei parallelen Satteldächern hinter dem Bestand gruppiert wurde. Die Architekten nahmen Form und Größe der Umgebungsbebauung auf und integrierten den Neubau in die Umgebung. Der Stall wird vom Neubau umhüllt und in die neue Doppelscheunenstruktur integriert.
Die Bücherei Gundelsheim erhielt im Sommer 2021 den „Bauen im Bestand“-Preis der Bayerischen Architektenkammer.
// REMINISZENZ AN DEN ALTBESTAND
Die äußere Gestaltung zeigt die Bauweise in Holz und schafft eine Reminiszenz an die ehemalige Bebauung. Darüber hinaus entsteht durch die Gebäudeanordnung ein kleiner Lesehof, der die Funktion des Gebäudes nach außen fortschreibt. Für die Fassade kam für die Architekten nur eine vorvergraute Holzlattung infrage, die durch die Lattweite mit dem Eindringen des Tageslichts spielt. Sie schafft im Innenraum den Eindruck von Transparenz zur Umgebung und nimmt dem Baukörper optisch.
// FREIE SICHT UNTER DAS STEILDACH
Eine große Doppeltür macht den Eingang zum Ensemble deutlich und weist dem Besucher den Weg. Beim Betreten der Bücherei eröffnet sich ihm ein hoher Raum mit Blick bis unter den First. Die Steildachstruktur schafft eine behagliche und großzügige Raumatmosphäre. Alt- und Neubau sind miteinander verwoben. Die Raumstruktur des Wohnhauses lösten die Architekten komplett auf und schufen einen hohen Raum mit freier Sicht unter die Steildachflächen. Konstruktiven Halt gibt diesem Teil des Ensembles ein eingestelltes Haus aus Holz, das die Kubatur des Satteldachs in kleinerem Maßstab im Inneren aufnimmt. Dieser geschützte Raum beherbergt die Kinderbuchabteilung. Ein weiteres Haus im Haus lässt sich schon an der Fassade des Neubaus neben dem Eingang ablesen. Hier platzierten die Architekten im Inneren die Servicebereiche der Bücherei.
Die „Haus im Haus“ Idee verwebt mit spannenden Raumbezügen alte und neue Elemente.
// KLUGE FORMENSPRACHE
Das Nutzungskonzept löst klare Raumzuständigkeiten auf, da die Flächen verschiedenen Gruppen zur Verfügung stehen. Das Ensemble beherbergt neben der Bücherei auch die Kinder des Waldkindergartens und wird für Lesungen und Versammlungen genutzt. Die wiederkehrende Form der Satteldachstruktur ist identitätsstiftend für das Ensemble und lässt es mit der Umgebung verschmelzen. Das Projekt zeigt, dass es mit behutsamen Eingriffen in gewachsene dörfliche Strukturen möglich ist, der Verödung der Ortskerne entgegenzuwirken und gleichzeitig räumliche Verbesserungen zu schaffen.
Bildnachweise: Juhani Karanka (1); Stefan Meyer

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