// FÜNFTE FASSADE IM SCHATTEN

// ARC ARCHITEKTEN, BAD BIRNBACH
Der Residenzplatz in Passau gilt als einer der schönsten Barockplätze nördlich der Alpen. Seinen Mittelpunkt bildet der Wittelsbacher Brunnen, den westlichen Abschluss der Dom St. Stephan. In diese Szenerie gesellt sich seit März 2022 ein Satteldachhaus, das sich in Zurückhaltung übt, gleichzeitig aber die Historie des Ortes und seiner Funktion zu würdigen weiß.

Von außen ist nicht ersichtlich, um was es sich bei dem kleinen Gebäude am Fuße des Doms überhaupt handelt. Seine homogene Hülle aus Holz lässt keinen Blick ins Innere zu. Und das war auch so gewollt, wie der verantwortliche Architekt und Partner des Büros Arc Architekten, Volker Kilian, rückblickend erzählt. Bei dem Bau handelt es sich um die neue Dombauhütte, die den ursprünglichen, in die Jahre gekommenen Komplex für die Instandhaltung des Gotteshauses ersetzt. Der Bauherr, das Staatliche Bauamt Passau, wollte keine gläserne Manufaktur, sondern eine Werkstatt, in der es sich ungestört arbeiten lässt. Entsprechend straff und ablauforientiert war auch das Raumprogramm, das es auf der 152 m2 großen Grundfläche zu realisieren galt – und zwar unter Berücksichtigung hoher städtebaulicher wie innenräumlicher Qualitäten.

// BAUKULTUR ETABLIEREN
Eine komplexe Aufgabe also, in der Arc Architekten sich aber wiederfanden. Seit der Gründung durch Horst Biesterfeld, Manfred Brennecke und Thomas Richter in den 80er Jahren stehen sie für die Verknüpfung von städtebaulichen mit architektonischen Aufgabenstellungen vor allem im ländlichen Raum. Zwar stehe die ländliche Entwicklung vor anderen Herausforderungen als die städtische, jedoch sieht sich das heute 25-köpfige Team immer in der Verantwortung, ein hohes Maß an Baukultur zu etablieren. Ein Gebäude sei mehr als die reine Behausung einer Nutzung. Ob Wohnungsbau, Kultur- oder Arbeitsstätte, es sollte das Leben bereichern. Letzteres, so Kilian, gelte nicht nur in Bezug auf die Nutzer*innen, sondern auch hinsichtlich des Umfelds.
Die Dombauhütte wird an ihrer Rückseite um weitere Lagerflächen sowie einen Werkhof ergänzt.
// MANIFESTATION DES HANDWERKS
Umso erfreulicher war es für ihn, dass die Beauftragung für die neue Passauer Bauhütte weit über die Errichtung eines Werkstattgebäudes hinausging. Seit 2020 zählt das Bauhüttenwesen zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe. Dementsprechend gesellte sich zum sensiblen Standort der Anspruch, die Historie mit dem – für den aktuellen Sanierungszyklus geplanten – Neubau weiterzuführen. Arc Architekten übersetzten diese Anforderungen in einen skulpturalen Baukörper, der den Archetypus „Hütte“ neu interpretiert und nach Nutzungsende vollständig rückbaubar ist. Er schmiegt sich in den abfallenden Geländeverlauf, ohne mit den kunstvollen Fassaden der Nachbarbebauung zu konkurrieren. Volumen und Proportionen orientieren sich an historischen Sichtbeziehungen und Gebäudeachsen. So fällt der First des Satteldaches bei gleichzeitiger Verjüngung des Grundrisses zum Residenzplatz hin ab, wodurch die sichtbare Giebelseite verkleinert wird und den Ausblick auf den Dom freigibt.
„Architektonische und baukulturelle Qualität sind unabhängig von der Nutzung. Der Anspruch sollte immer der gleiche sein.“
Volker Kilian, Partner bei Arc Architekten
Nach seinem Nutzungsende kann das Gebäude vollständig rückgebaut und das Material wiederverwertet werden.
// MEHR ALS EIN PROVISORIUM
Ein „positiver Nebeneffekt“ dieser perspektivischen Verzerrung ist die Erweiterung des Grundrisses im rückwärtigen Teil. Auf einer zweiten Ebene über Werkstatt und Lager liegt nun die Restaurierungsgalerie – moderne Technik und historische Handwerkskunst laufen hier neben- und miteinander. In Anlehnung an den dienenden Charakter der Bauhütte wurden sämtliche Oberflächen mit heimischen Hölzern gestaltet und bis ins kleinste Detail geplant. Eine Arbeitsstätte verdiene schließlich die gleiche Wertigkeit wie ein Wohnungsbau oder ein öffentliches Gebäude, betont Volker Kilian einmal mehr. Alle Öffnungen sowie (Dachflächen-) Fenster verbergen sich hinter der Hülle aus Lärchenholz, die sich – als fünfte Fassade geplant – auch über das geneigte Dach zieht. Diese im städtebaulichen Kontext eher ungewöhnliche Materialität verweise laut des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege auf den provisorischen Gedanken hinter dem Gebäudetypus Dombauhütte. Dennoch bleibt zu hoffen, dass diese der Passauer Altstadt auch langfristig erhalten bleibt – die Architektur könnte das jedenfalls leisten.
Bildnachweise: Arc Architekten (1); Christian Böhm

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