// KLIMARESILIENT BIS IN DIE DACHSPITZE

Der Temperaturanstieg von 1,1 °C seit Beginn des industriellen Zeitalters ist längst wahrnehmbar und lässt sich mit den bisherigen Klimaschutzmaßnahmen auch nicht stoppen. Im Gegenteil: Der Lagebericht zur globalen Erwärmung, den der Weltklimarat im März dieses Jahres veröffentlicht hat, prognostiziert einen Anstieg von 3,2 °C bis zum Jahr 2100, wenn wir so weitermachen wie bisher. Neben dem Klimaschutz fordert er deshalb auch klimaresiliente Maßnahmen – vor allem auch durch den Bausektor.

Blumenwiesen, Obstbäume und begrünte Dächer prägen die Wohnsiedlung in Lisbjerg vom Büro Lendager.
Immer häufiger zeigt sich, dass Städte und Ortschaften weder gegen Hitzestress noch gegen Starkregen gerüstet sind. In dieser Hinsicht gilt es, zunächst die Schwachstellen zu ermitteln und zu beheben. Der Gedanke hinter dem klimaresilienten Bauen geht aber noch einen Schritt weiter: Bauliche Strukturen müssen Extremwetter nicht nur ohne Beeinträchtigungen überstehen, sie müssen sich auch an sie anpassen und zukünftigen Risiken vorbeugen.
// MEHR GRÜN IN DIE STADT
Ein bekanntes Konzept hierfür ist die Schwammstadt, die in der Lage ist, große Mengen an Wasser aufzunehmen und zeitverzögert wieder abzugeben. Grundlage ist das Zusammenspiel aus versickerungsfähigem Pflaster, Grünflächen, Fassaden- und Dachbegrünungen. Letzteren kommt neben der kontrollierten Ableitung von Regenwasser eine weitere Bedeutung zu: Durch ihre kühlende Wirkung tragen sie zu angenehmen Raumtemperaturen bei. Fanden Begrünungen in der Vergangenheit eher auf Flachdächern Einsatz, gibt es heute zunehmend Anwendungen auf dem Steildach, zum Beispiel bei einer neuen Wohnsiedlung im dänischen Lisbjerg. Dort, wo aufgrund der Gebäudeausrichtung keine Photovoltaikanlagen infrage kamen, wurden die Satteldächer begrünt. Die farbenfrohe Pflanzenwelt hat nicht nur die zuvor beschriebene Wirkung, sie steigert auch die Biodiversität. Raumtemperaturen bei. Fanden Begrünungen in der Vergangenheit eher auf Flachdächern Einsatz, gibt es heute zunehmend Anwendungen auf dem Steildach, zum Beispiel bei einer neuen Wohnsiedlung im dänischen Lisbjerg. Dort, wo aufgrund der Gebäudeausrichtung keine Photovoltaikanlagen infrage kamen, wurden die Satteldächer begrünt. Die farbenfrohe Pflanzenwelt hat nicht nur die zuvor beschriebene Wirkung, sie steigert auch die Biodiversität.
// HELL STATT DUNKEL
Auch mit der Materialwahl lässt sich die Umwelt positiv beeinflussen. Von natürlichen, nachwachsenden Rohstoffen über recycelte Baustoffe bis hin zur Wiederverwendung gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um Abfälle und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Abseits der Zusammensetzung der Baustoffe spielt auch ihre Farbigkeit eine Rolle. Je heller die Oberflächen der Gebäudehülle, desto weniger Wärme verursachen sie. Dies ist auf den sogenannten „Albedo-Effekt“ zurückzuführen, am besten bekannt durch die Polkappen, wo die vorhandenen Eisschichten das Sonnenlicht reflektieren und so die Erderwärmung regulieren. Gleiches bewirkt auch die Farbgebung von Fassade und Dach, wie es der Lückenschluss im belgischen Mechelen zeigt. Die Nachverdichtung von dmvA architecten hebt sich durch ihre gänzlich weiße Farbgebung vom historischen Kontext ab. Helle Dachdeckungen wie diese reduzieren laut einer 2017 durchgeführten Studie des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik die Wärmeentwicklung unter dem Dach spür- und messbar, indem sie bis zu 50 Prozent der Einstrahlung reflektieren.
Der Wohnungsbau setzt die spitzen Dächer der Umgebung fort, findet aber seine ganz eigene Sprache.
// WITTERUNGSSCHUTZ UND ENERGIELIEFERANT
Eine weitere Möglichkeit, die Kraft der Natur mithilfe von Dachflächen zu nutzen, ist der Einsatz von Solar- und Photovoltaikanlagen. In Baden-Württemberg beispielsweise sind rund 88 Prozent der Dächer noch ungenutzt. Dieses Potenzial veranlasste das Bundesland 2022 zur Einführung einer Photovoltaik-Pflicht beim Neubau von Wohn- und Nichtwohngebäuden sowie seit Januar 2023 für Bestandsgebäude, sobald Dächer grundlegend saniert werden. Je nach Standort und Ausrichtung bieten sich dafür vor allem Steildächer an, da sie bereits den notwendigen Neigungswinkel mit sich bringen. Und auch hier lohnt sich wieder ein Blick ins Ausland: Im Rotterdamer Stadtzentrum wandelten Orange Architects das ehemalige Büro- und Industriegebäude eines Telekommunikationsunternehmens zu einem Wohngebäude um. Das steile Dach auf der Südseite erhielt in diesem Zuge eine Deckung mit dunklen Solarschiefern. Der jährliche Energieertrag von 56.000 kWh deckt den Bedarf aller 20 Wohnungen sowie zum Teil den des Restaurants im Erdgeschoss.
Bildnachweise: Giedre Skucaite (1); Sergio Pirrone (2); Frank Hanswijk (3)

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