// MIT HERZ, HAND UND HEIMATVERBUNDENHEIT



Um eine Scheune aus dem Jahr 1873 vor dem Zerfall zu retten, planten die Architekt*innen Charlotte Reith und Bastian Vollert ihren Umbau zu einem Wohnhaus – für und gemeinsam mit ihren Bauherr*innen. Inmitten der bayerischen Kulturlandschaft des Rupertiwinkels veranschaulicht das außergewöhnliche Bauwerk im Bricolage-Stil den Einfallsreichtum, der häufig mit dem Bauen auf dem Land einhergeht.

Bastian Vollert, VPR Architekt:innen (l.) Charlotte Reith (r.)

„Auf den ersten Blick haben Architekturschaffende auf der grünen Wiese weitaus mehr Freiheiten, Neues auszuprobieren und sich auszudrücken“, erzählt Bastian Vollert und sieht hierbei das Potenzial eines Reallabors. „Auf dem Land zu bauen bedeutet aber auch, improvisieren zu müssen und mit allen lokalen Gegebenheiten und Absenzen zu arbeiten.“ Eine Möglichkeit, diesen experimentellen Charakter beizubehalten und gleichzeitig regionale Rahmenbedingungen mit einzubeziehen, findet sich in der „Bricolage“: Anstatt auf speziell für ein bestimmtes Problem entwickelte Mittel zurückzugreifen, wird es hierbei mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen gelöst. Bezieht man dies nun auf die Architektur, werden Kreativität, Spontaneität und auch ein wenig Zufall zu festen Bestandteilen von Planung und Ausführung. Wie das aussehen kann, demonstriert das Kollaborationsprojekt „Ruperti“ auf einer Hofstelle in Tittmoning.

// EINMAL STADL, IMMER STADL?

Umgeben von Wiesen, Wäldern und Seen befindet sich die ehemalige Scheune in einer schützenswerten Kulturlandschaft – und sollte deshalb auch weiterhin als solche erkennbar bleiben. „Also haben wir die Gebäudehülle ertüchtigt und nach dem Haus-im-Haus-Prinzip weitergebaut“, erinnert sich der Architekt. Mit regionalem Holz aus dem Forst der Bauherr*innen entstand in Ständerbauweise ein thermisch abgeschlossenes Gebäude innerhalb der Bestandsfassade. „Stellen, an denen alte auf neue Bausubstanz trifft, haben wir bewusst nicht verschleiert, sondern durch scharfe Trennlinien an der Fassade ablesbar gemacht und hervorgehoben“, erklärt Vollert. „Dabei haben wir bestehende Fluchten wie etwa die Kante zwischen Erd- und Obergeschoss aufgenommen und diese dann entsprechend weiterentwickelt.“

Das gilt auch für weitere Bestandteile der Scheune: Die ehemalige Durchfahrt mit großen gegenüberliegenden Toren wird im Innenraum nun als zweigeschossige Eingangshalle mit umlaufender Galerie in Szene gesetzt – akzentuiert durch ein markantes rotes Treppengeländer. Und auch das Dach eines alten Futtersilos findet seine neue Berufung als Terrasse. Durch diese neuen Funktionen konnte die regionaltypische Gestalt der Scheune mit rechteckigem Grundriss und überkragendem Satteldach bestehen bleiben – und zwar ohne zusätzliche Flächenversiegelung.

Das Haus-im-Haus-Prinzip ermöglicht den Erhalt der historischen Fassade.
// EINFACHE KONSTRUKTION FÜR EINFACHE UMSETZUNG

Weil die zukünftigen Bewohner*innen tief in der Gegend verwurzelt sind, unterstützten Freunde und Familie während des gesamten Bauprozesses tatkräftig. „Wir haben deshalb auf einfache, traditionelle Handwerkstechniken und Konstruktionen gesetzt, die den Helfenden bereits bekannt waren oder leicht vermittelt werden konnten“, fährt der Architekt fort. Das galt auch für das Dach: „Bei der Neueindeckung haben wir uns für rote Ziegel entschieden, um die regionalen Merkmale beizubehalten, und ein handliches Format gewählt, mit dem jede*r arbeiten kann.“ So kam es, dass neben der Dacheindeckung viele weitere Arbeiten in Eigenleistung ausgeführt wurden. Lediglich für besonders anspruchsvolle Bereiche wurden Fachfirmen aus der Gegend hinzugezogen.

Entstanden ist eine Fusion aus ganz verschiedenen Elementen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht zueinander passen, durch ihre Andersartigkeit jedoch gezielt Spannungen und ein harmonisches Gesamtbild erzeugen.

Herzstück des Wohnhauses ist die ehemalige Scheunendurchfahrt, die zur Eingangshalle umgenutzt wurde.
Bildnachweise: Bastian Vollert (1), Charlotte Reith (2); Sebastian Schels (3-4)

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