// MITTLER ZWISCHEN DEN WELTEN

// MONO ARCHITEKTEN, BERLIN
In seinen breit rezipierten Betrachtungen zu „Nicht-Orten“ definiert der französische Anthropologe Marc Augé eben jene als Räume, „die keine Identität besitzen und sich weder relational noch historisch bezeichnen lassen“. Typische Nicht-Orte stellen für ihn etwa Freizeitparks oder Verkehrsbauten wie Bahnhöfe oder Raststätten dar, deren Benutzung keine Frage des Wollens, sondern des Müssens ist. Wie eine gebaute Antithese wirkt da die Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel von MONO Architekten in Kooperation mit dem Landschaftsarchitekturbüro Planorama sowie den Kommunikationsdesigner*innen von MUS.

Schon auf den ersten Blick sticht das Gebäude im thüringischen Sömmerda aus dem gesichtslosen Einerlei am Rande deutscher Autobahnen hervor, dabei ist seine Erscheinung nicht übermäßig expressiv – im Gegenteil: Je nach Position wirkt es, als würde es sich geradezu in die Landschaft einbetten, womit auch schon ein Teil der Anforderungen umschrieben wäre. Der Entwurf beruht auf einem Wettbewerb, den die DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und Bau GmbH in Kooperation mit der IBA Thüringen als modellhaftes Verfahren zur Qualifizierung von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen ausgelobt hatte. Neben einer Neuinterpretation ging es wesentlich darum, den namensgebenden Fürstenhügel inhaltlich-gestalterisch mit der A71 zu verknüpfen. Immerhin handelt es sich hierbei um eine in ihrer Größe nahezu einmalige frühbronzezeitliche Grabanlage.

// MEHR ALS KONSUM
Dieser Anforderung begegnete das Berliner Architekturbüro mit einem langgestreckten, zweigeteilten Bau. Ein Flügel ist streng orthogonal zur Fahrbahn ausgerichtet und überspannt – soweit nicht ungewöhnlich – die Zapfsäulen. Auffällig ist, dass die Konstruktion dank eines komplexen Raumfachwerks auf 48 Metern völlig ohne Stützen auskommt. Einer Brücke gleich wurde darüber hinaus ein Schwingungsdämpfer verbaut, um ein Aufschaukeln bei starkem Wind zu verhindern. Der zweite Flügel knickt im stumpfen Winkel nach Nordosten ab und bietet neben den typischen Funktionsbereichen auch einen Ausstellungsraum zur Geschichte der Umgebung.
Nicht nur der Neubau, sondern auch mehrere Wege prägen das Gelände und sorgen für Entschleunigung, Weitblicke und lehrreiche Erfahrungen.
// AUFSTREBENDE DACHFORMEN

Die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit, von quasi unbegrenzter Be- und bewusster Entschleunigung, kommt wesentlich in der sich verändernden Form des Dachs zum Ausdruck. Das entwickelt sich, ausgehend von der der Autobahn zugewandten Seite, nach und nach vom Flach- zum Satteldach. Aus dem archetypischen Rechteck der architektonischen Moderne wird die zeitlose fünfeckige Silhouette der Urhütte. In diesem Fall diente ein weiterer archäologischer Fund aus der Umgebung, ein ebenfalls aus der Bronzezeit stammendes Langhaus, als Inspiration. Eine einheitliche, vorpatinierte Aluminiumhaut, die im Fassadenbereich zusätzlich unregelmäßig gekantet wurde, umhüllt den gesamten Bau.

In Richtung Fürstenhügel endet das Gebäude giebelständig und gibt mit einer ganzflächigen Glasfassade den Blick in Richtung Grabmal frei, dessen Höhe auch das Maximum des Dachfirsts vorgegeben hat. Möglichkeiten des Austauschs beschränken sich allerdings nicht allein auf Sichtbeziehungen. Vielmehr verbindet ein „Zeitreiseweg“ genannter Lehrpfad Gebäude und Hügel. Ohnehin ist das ganze Ensemble offen gehalten und kann durch die Anbindung an einen nahe gelegenen Radweg auch unmotorisiert besucht werden. Dass das tatsächlich geschieht und auch die Bürger*innen Sömmerdas hier gerne einkehren, legen Besichtigungen der verantwortlichen Architekten nahe. Und das könnte man von einem Nicht-Ort – zumindest im Sinne Augés – nun wirklich nicht behaupten.

Selten wird so wenig Kritik an einem Gebäude geübt wie an der Bibliothek in Kressbronn.
Bildnachweise: MONO (1); MONO, Gregor Schmidt

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