// DÜRFEN ARCHITEKTURSTUDIERENDE EIGENTLICH KEIN STEILDACH ENTWERFEN?

// STUDIOMAUER, HANNOVER
Ein Kommentar der fünf Köpfe (Heiko, Niklas, Nils, Jakob, Max) von studiomauer aus Hannover über ihre Entwurfsfreiheiten im Studium an der Leibniz Universität Hannover (Abschluss 2018).

Das Flachdach ist bei den meisten Studierenden das bevorzugte Mittel. Warum? Es zu entwerfen führt mehrheitlich zu weniger Fragen. Doch schon in unserer Generation hafteten dem Steildach keine altbackenen Attribute mehr an. Diese Zeit scheint überwunden, und das ist auch gut so.

Mittlerweile gilt: Wer sein Gebäude nicht aus dem Kontext heraus entwirft, muss hierfür gute Argumente vorbringen. Am Beispiel Lübeck lautet die selbstverständliche Entwurfsantwort auf das historische, gewachsene Bild des Stadtgefüges natürlich „steil“. Schließlich macht auch rechtlich gesehen spätestens die Gestaltungssatzung der Stadt den Umgang mit dem historischen Erbe klar. Hut ab also vor denjenigen Kommilitonen, deren Entwürfe für die Lübecker Innenstadt nebst der giebelständigen Satteldachhäuser auch nach Abschluss aller Kolloquien bis zuletzt ein Flachdach zierte. Architektur braucht genau solche Kontroversen. Wie sonst soll der Genius Loci weiterentwickelt werden? Auch hier war unser Studium anstelle von Denkverboten geprägt durch einen offenen Umgang mit Architektur.

Dennoch hat uns im Studium etwas gefehlt: die intensive und vor allem kreative Auseinandersetzung mit der baurechtlichen Realität. Formale Abstandsregelungen machen viele städtische Grundstücke und Dachaufstockungen unattraktiv für den klassischen Markt. Das Steildach birgt auch hier das unterschätzte Potenzial, Regelungen spielerisch zu lösen. Man schaue nur auf das Apartment House in Berlin von Barkow Leibinger: Die Form des Hauses wurde aus den Abstandsregeln des umgebenden Blocks heraus entwickelt und wäre ohne seine spezifische, geneigte Kubatur rechtlich nicht möglich gewesen.

Um einen Professor für Baukonstruktion zu zitieren: Er sagte sinngemäß zu einem Masterabsolventen, er würde bei einem Holzbau aus konstruktiven Holzschutzgründen sowieso immer ein Steildach mit Dachüberstand bevorzugen. Professoren verbieten also das Steildach? Zu unserer Zeit weit gefehlt. In der Architektur gibt es selbstverständlich immer wieder starke Modeerscheinungen. Das betrifft von der Plandarstellung bis zur Formensprache der Architektur über die Ausformulierung des Daches eigentlich alle Bereiche. So, wie wir unser Studium erlebt haben, folgt jede Architektengeneration und auch die jeweilige Professorenschaft ihren eigenen Trends, und auch das ist gut so. Unser Plädoyer gilt deshalb einer Offenheit auf allen Seiten, damit das architektonische Schaffen sich unabhängig von der Form so entfalten kann, wie es für die komplexen Raumzusammenhänge in Stadt, Architektur und Gesellschaft notwendig ist.

Wir hoffen dennoch, dass künftig die Diskussion um Ausformulierung, Gestaltung und Nutzung von Dächern wieder etwas in Schwung kommt. Rein mit Bitumenbahnen versiegelte Dächer, die Hitze absorbieren und die Stadt aufheizen, können sicher nicht die Lösung sein.

Gastkommentare in stadt/land/dach geben stets die Meinung der jeweiligen Gastautoren wieder und nicht explizit die der Herausgeber.
Die einläufige Treppe im Wohnhaus „Findling“ von Steimle Architekten mündet im gefalteten Dachraum, der sich in die Höhe weitet.
Bildnachweise: studiomauer (1); Brigida González (2)

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