Dr. Tietz, Deutscher Architekturkrititker, Buchautor und Moderator
Der Zehlendorfer Dächerstreit ist ein wunderbares Beispiel, um rückblickend auf den Diskurs zwischen flachem Dach und steilem Dach zu schauen. Es steht unmittelbar nebeneinander `Die Onkel Tom Siedlung` von Bruno Taut und daneben Häuser von Heinrich Tessenow, nur mit steilem Dach. Faszinierend anzuschauen. Es fällt mir heute wahnsinnig schwer, die Energie nachzuvollziehen, die damals in diesen Streit gesteckt wurde. Ganz ehrlich, das sind beides gute Architekturen. Bruno Taut ist noch ein bisschen besser, noch ein bisschen feiner durchdacht, aber auch Heinrich ist ein großartiger Architekt und Hochschullehrer gewesen, der hier in Berlin gelebt hat und in Dresden die Hellerau Siedlung gebaut hat. Der Blick zurück auf diesen Streit zeigt, dass das Beharren auf Dogmen nie etwas wirklich etwas bringt. Es ist viel sinnvoller, ziel- und lösungsorientiert zu arbeiten, für bestimmte Bauaufgaben bestimmte Lösungen zu finden. Warum nicht einem unterschiedlichen Geschmack Folge zu leisten, wenn der Bauherr gerne ein Steildach haben möchte. Das kann gut und sinnvoll sein, um auch seine Sonnenpaneele unterzubringen. Das Flachdach kann eine sinnvolle Lösung sein, um eine begrünte Dachlandschaft hinzubekommen. Aber natürlich gibt es heute immer noch Dogmen des Streites der Verfechter einer historischen Stadt auf Parzellen und freieren Stadt-Grundrissen. Aber auch da würde ich persönlich immer zu einem weitaus spannenderen Blick neigen. Stadt ist Vielfalt. Stadt ist Abwechslung. Stadt braucht Qualität und die kann mal ein flaches und mal ein steiles Dach vertragen.
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